Haptonomie ist eine Annäherungsweise
welche das menschliche - affektive -
Gefühlsleben betrachtet.

Das Affektive bestätigende Kontakt

Die Haptonomie untersucht die Regeln und Gesetzmäßigkeiten, die dem menschlichen Gefühlsleben zugrunde liegen. Sie wird deshalb auch “Wissenschaft vom menschlichen Gefühlsleben” oder als “ Wissenschaft von der Affektivität” bezeichnet.

Der Begriff Haptonomie setzt sich zusammen aus den griechischen Begriffen “Hapsis”, das den Tastsinn, das Gefühl, das Gefühlsleben sowie das Taktgefühl bezeichnet, und “Nomos”, was Gesetz, Regel und Norm bedeutet.

“Hapto” im Wort Haptonomie stammt von dem Verb “Haptein” und bedeutet: “ich berühre, ich vereinige, ich stelle eine Verbindung her“, und im übertragenen Sinne: “ich nehme mit jemanden (durch Berührung) Kontakt auf, um gesund zu machen, zu heilen, zu bestärken“.

Dieser spezifische Kontakt charakterisiert die haptonomische Annäherung: Es ist eine heilende (heil bzw. ganz machende, den ganzen Menschen umfassende) Berührung, die den Anderen in seinem Wesen bestärkt. In der haptonomischen Arbeit konzentrieren sich die Beobachtungen insbesondere auf die Rolle, die die (oft unbewußte) gefühlsmäßige Beteiligung bei allen zwischenmenschlichen Kontakten spielt.

Die Haptonomie beschreibt die beobachteten Phänomenen, die alle reproduzierbar und überprüfbar sind, und macht sie im Rahmen der Ausbildung und Selbsterfahrung spürbar und erlebbar. Nur durch die persönliche Erfahrung können die in der praktischen Anwendung der Haptonomie so wesentlichen spezifischen Phänomenen des taktilen Kontaktes und insbesondere des psychotaktilen Kontaktes verstanden werden.

In der praktischen Anwendung ist die Haptonomie keine Heilmethode oder Therapie, sondern eine Annäherungsweise, die in alle heilenden und pflegenden Berufe integriert werden kann.Die Entwicklung der haptonomischen Fähigkeiten und die Integration der haptonomischen Annäherungsweise ermöglicht es dem Arzt, dem Psychotherapeuten, der Hebamme, der Krankenschwester etc., die vom Patienten/Klienten angebotene Problematik in ihrer möglichen Ursache und Entwicklung aus haptonomischer Sicht zu verstehen und den Menschen spüren zu lassen, welche persönlichen Fähigkeiten und Möglichkeiten er hat, um selber etwas zu ändern. Der Mensch nimmt am Leben der Gemeinschaft teil durch eine Vielzahl zwischenmenschlicher Kontakte und Interaktionen, bei denen er ständig mehr oder weniger bewusst gezwungen ist, persönlich Stellung zu nehmen, eine Wahl zu treffen oder Entscheidungen zu fällen. Geprägt durch die Erziehung und durch unsere Gesellschaft neigen viele Menschen dazu, sich so zu verhalten, "wie es sich gehört", wie es die Umgebung von ihnen erwartet oder wie die Eltern es von ihnen wünschen. Viele Menschen haben so den Kontakt zu ihren eigenen Gefühlen und zu dem, was sie tief in sich fühlen und erleben, verloren.Sie haben kein Vertrauen zu sich Selbst und zu ihrem inneren Wissen darüber, was gut für sie ist. Das passiert oft ganz unbewusst und der Mensch merkt gar nicht, dass er sich gegen seine eigenen Wünsche und Bedürfnisse entscheidet. Im Gegenteil, er ist der Überzeugung, dass es so richtig ist. Eine solche Entfremdung von sich selbst kann ein wesentlicher Grund sein für Störungen des persönlichen Wohlbefindens, für depressive Verstimmungen und schwere Lebenskrisen.

Die haptonomische Begleitung will den Menschen wieder in Kontakt bringen mit seinen Gefühlen und seinem tieferen Wissen. Sie will ihn entdecken lassen, wie er selber Entscheidungen treffen kann, wie er in seinem Leben eine Wahl treffen und seinem Leben eine Richtung geben kann und wie er Verantwortung für sein Handeln und sein Leben übernehmen kann. Der Appell an die eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten, aktiv am Leben teilzunehmen und aktiv nach Lösungen für die eigenen Probleme zu suchen, ist ein wesentlicher Bestandteil jeder haptonomischen Begleitung.

Mehr oder weniger bewusst strebt jeder Mensch danach, einen Zustand innerer Ruhe und Sicherheit zu erlangen. Ein wesentlicher Grund für Störungen des Wohlbefindens und des seelischen Gleichgewichtes (wie z.B. Selbstwertstörung, Minderwertigkeitsgefühle, Depressionen, Kontaktstörungen, Versagensängste, Verhaltensstörungen), ist das Fehlen einer solchen inneren Sicherheit. Das Fundament für die Entwicklung dieser basalen Sicherheit wird in der frühesten Kindheit gelegt. Hier ist das liebevoll-bestätigende, Sicherheit und Geborgenheit gebende Verhalten der Eltern von großer Bedeutung. Ein Kind, das affektiv angenommen und bestärkt wird, erlebt sich selbst als gut und liebenswert.

Die wiederholte Erfahrung dieser affektiven Bestätigung ermöglicht es dem Menschen, Vertrauen zu sich selbst und zu anderen Menschen zu entwickeln und lässt in ihm die Fähigkeit wachsen, vertrauensvolle gefühlsmäßige Beziehungen aufzunehmen und sie in gegenseitiger Zuneigung, Liebe und Freundschaft zu pflegen.

Hier liegt die Wurzel für die Liebesfähigkeit des Menschen. Durch eine solche affektive Bestärkung wächst im Menschen eine fundamentale Sicherheit zu sich selbst und ein Urvertrauen in die Welt, die es Ihm ermöglichen, sich seinem Wesen entsprechend zu entfalten und zu einer authentischen Persönlichkeit zu reifen. Wenn die affektive Bestätigung in der frühen Kindheit und während des Entwicklungsprozesses gefehlt hat oder nur ungenügend angeboten wurde, kann sich keine stabile innere Sicherheit entwickeln und es kommt zu Störungen und Blockierungen in der Persönlichkeitsentwicklung, insbesondere in der harmonischen Entfaltung des Gefühlslebens. Die Fähigkeit, vertrauensvolle affektive Beziehungen einzugehen, ist dann kaum entwickelt. Der Mensch lebt dann in ständiger Unsicherheit und bleibt dauernd auf der Suche nach Anerkennung und Selbstbestätigung. Er ist gezwungen, sich rational in der Gesellschaft zu behaupten, da ihm die emotionale innere Sicherheit fehlt. Unsere heutige erfolgs- und leistungsorientierte Gesellschaft führt durch das abnehmende Angebot an affektiven Kontakten und Beziehungen immer häufiger zu den beschriebenen Störungen der Persönlichkeitsentwicklung.

Die Haptonomie will die im Menschen angelegten Fähigkeiten, eine stabile innere Sicherheit (Basis Sicherheit) auszubilden und in Freiheit und Unabhängigkeit vertrauensvolle affektive Kontakte zum anderen Menschen aufzunehmen, entwickeln und fördern. Sie lehrt den Menschen, diese Fähigkeiten (aufs Neue) zu entfalten und sie in sein persönliches Leben zu integrieren, damit er frei darüber verfügen kann. So kann sie den Weg öffnen zu einem wahrhaft menschlichen, selbständigen und selbstverantwortlichen Dasein im Miteinandersein auf dieser Welt.